Das 11. Seminar »Typografie intensiv«

Bericht über den Ablauf des Seminars

Wie war’s, Die Frage an jedem Seminarabend, am Ende des ersten Moduls; besonders spannend für uns. Notiert hatte ich unter anderem: Freude über das neue Lernen; spannend sind die verschiedenen Ansichten der Teilnehmerinnen; spannende Gruppe; anstrengende Theorie, so viele Bilder, wieso so viel Theorie, kann man doch selbst nachlesen; macht Spaß  endlich wieder schneiden und kleben; wo sind die Regeln (Rezepte); abwechslungsreich – Theorie und Praxis ausgeglichen; echte Chance, voneinander lernen …

 

 

Einführung, Grundlagen, Gestaltungsbasis
[Modul 1]


 

In der Einführung geht es um die Struktur des Seminars, was Typografie überhaupt alles kann, wie wichtig die manuelle Technik des Gestaltens sein kann, was konzeptionelles Denken vermag. Eine Einführung in das Scribblen bei Entwürfen folgt vor der Diskussion der Basis von Raum und Gestaltung und der Mikrotypografie. Ein Vortrag über Typografie im 20. Jahrhundert, hier das bauhaus, schließt das 1. Modul ab. Es traf sich, dass an diesem Tag die tgm 125 Jahre alt wurde und alle Seminarteilnehmerinnen zum Fest eingeladen waren .

 

Mikrotypografie Basis
[Modul 2]

 

Mikrotypografie ist die Basis für eine funktionierende, gut lesbare und auch attraktive Typografie. Auch wer schon glaubt, alles zu wissen, ist oft erstaunt wie viel es da noch gibt. Und dann wird das Gelernte auch gleich noch probiert.
Mikrotypografie hängt natürlich mit dem Makrobereich zusammen, also dem Seitenaufbau und der Komposition von Seiten. Wichtige Theorieteile in diesem Modul sind »Lesbarkeit von Schrift und Typografie« (ein Thema, mit dessen Forschungsaspekten ich mich intensiv auseinandersetze). Und ein Exkurs gilt der Geschichte der Schrift ab Gutenberg. Die ersten Hausarbeiten werden besprochen.


Makrotypografie, Seitenaufbau
[Modul 3]

Makrotypografie bedeutet, daß man sich mit der Logik der Seitengestaltung und der typografischen Visualisierung befasst. Das ist umfassend und gut einsichtig anhand der Buchgestaltung. Es geht um die Frage, was wir aus der Geschichte der Buchgestaltung heute lernen und sogar übernehmen können. In einer Hausarbeit geht es um die Rekonstruktion einer klassischen Textbuchgestaltung. Nur eine Rekonstruktion, aber für viele beinhaltet das wieder sehr viel Neues. Dagmar Nathalie Gorbach bespricht die Aufgaben und diskutiert sie vor allem in allen Phasen intensiv mit den Teilnehmerinnen. Die Sehnsucht nach dem selber machen ist groß, manchmal ist die Ungeduld im Weg.
Dass Makrotypografie bisweilen weit in Komposition, Funktion und Attraktivität reichen kann, erläuterten wir anhand der von uns gestalteten Hitler, Mein Kampf-Edition.

 

 


Schrift: Basis, Schriftwahl, Schriftarten
[Modul 4]

Die Druckschriften als zentrales Thema am ersten Tag mit Oliver Linke, der einen weiten Bogen spannt: Schrift und der Zusammenhang zum Schreiben, aus der Geschichte der lateinischen Buchstaben, die Formmerkmale der Schriften und ein Überblick über die heutigen digitalen Schrifttechniken. Es folgt eine Übersicht über die Klassifikation der Druckschriften, Zusammenhänge von Schriftfamilien, Schriftsippen und eventuellen Schriftmischungen. Besonders wichtig: Aspekte der Schriftwahl. Neben den Schriftskizzen als Hausarbeit gibt es noch eine besondere Aufgabe: Ein Geschenkpapier nur aus typografischen Elementen entwickeln.
In den Diskussionen zeigte sich, dass die Mikrotypografie enormen Einfluss auf die Wirkung der Schrift hat.

 

 


Mikro- und Makrotypografie und strategisches Arbeiten mit InDesign
[Modul 5]

Mit diesem Modul sind wir ganz dicht an der Praxis und damit auch am Alltag: Mikro- und Makrotypografie mit InDesign, geleitet von Catherine Avak. Jetzt geht es darum, die gelernte Basis auch richtig anzuwenden. Das beginnt mit strategischen Vorüberlegungen und behandelt alle Aspekte detailierter Typografie-Anwendung unter InDesign. Natürlich ist das kein Basiskurs InDesign. Auf die Basis wird aufgesetzt. Und das Ganze hat mitunter ein rasantes Tempo.

 


Komposition und Gestaltung
[Modul 6]

Die Basis des Gestaltens: Was bedeutet Komposition auf der Fläche. Was kann mit oder durch die Theorien der Flächengestaltung erreicht werden? Analytisches Sehen und Wahrnehmen im Hinblick auf die gestaltete Welt. Und alles beginnt mit einfacher Gestaltung, die für Typografie fast immer dominant ist. Exkurse gehen zu Kandinskys Theorie »Punkt, Linie und Fläche« und zahlreiche praktische Basisübungen unterbrechen den Theoriestrom. Diese Übungen verlassen bisweilen die zweidimensionale Dimension und haben recht viel mit Wahrnehmung zu tun. Einblicke in die Typografie des 20. Jahrhunderts ergänzen gezielt den Stoff des Moduls. So ist die Arbeit von Emil Ruder in Basel für uns grundlegend und auch aus der Schweiz kommend der begriff der »Integralen Gestaltung«.
Am Abend ging es noch weiter: Sabine Noak von Römerturm Feinstpapier hilt ein mehrstündiges Seminar über Papiersorten und Veredelungstechniken.

 


Farbe, Gestaltung und Wahrnehmung
[Modul 7]

Ein ganzes Modul geht nur um Farbe. Das bedeutet zunächst einiges an Basistheorie. Der Aufbau und die Bedeutung der Grundfarben, Kontrastmöglichkeiten, das Sehen von Farben. Vor allem visuelle Farbprogramme und die Bedeutung der Farbe für die Schrift werden erläutert. Der zweite Tag ist dagegen sehr praktisch angelegt. Ilona Amann geht nach einer knappen, aber gezielten Einführung ans Werk. Jetzt heißt es Farben aussuchen, vergleichen, selber Farben mischen und eine Übung folgt der anderen, ein intensiver Farb-Workshop.
Und als Hausarbeit ist ein Farbkonzept zu erstellen, das recherchiert, ausprobiert und präsentiert werden muß.

 



System und Raster
[Modul 8]

Ein sehr wichtige Aspekt in diesem Seminar ist die konzeptionell gut aufgebaute Gestaltungsarbeit. Deshalb befassen wir uns hier mit den Grundlagen von Proportionen für die Gestaltung und dabei im Anschluß mit den Theorien von Gestaltungsrastern und Proportionsreihen. Die Basis hierzu erläutert Dagmar Nathalie Gorbach systematisch Schritt für Schritt. Dazu leitet am zweiten Tag Christiane Gerstung einen Workshop, in dem ganz spezifisch ein Raster für eine Publikation entwickelt wird. Der Raster muss dann auch gut funktionieren.


Am Nachmittag vor diesem Modul besuchten wir Kösel in Altusried, einer der angesehensten Gesamtbetriebe für Bücher und besondere Broschüren. Auch wer andere Druckereien kennt, kann aus so einem Besuch viel lernen. Jedenfalls waren die Diskussionen und Anregungen üppig.

 


Das Textbuch
[Modul 9]

Nach wie vor versteht man vieles, was Typografie kann und bietet, am Besten durch die Text-Buchgestaltung. Jetzt wird auf das bisher Gelernte insgesamt Bezug genommen, indem an die Rekonstruktion eines Textbuches erinnert wird. Buchformate und Satzspiegel für Textbücher werden untersucht, die nicht nur traditionellen Lehren unterliegen, sondern auch erfahren werden im Gegensatz von bedruckter zu unbedruckter Fläche. Ohne Lesen kann man kaum Bücher gestalten, weshalb die schwierige Aneignungsdisziplin Lesen eine besondere Rolle spielt. Bei einer Buchgestaltungs-Aufgabe spielen so viele Fakten mit rein, die Schriftwahl, das Format und der Satzspiegel, Mikro- und Makrotypografie und nicht zuletzt die Materialästhetik, damit Papierwahl und die Möglichkeiten der Einbandgestaltung. Dieses mal war die Aufgabe sehr komplex, da die Basis für eine Lyrik-Anthologie gefunden werden sollte.
In den jeweils (nur) zwei Korrekturgängen wird untereinander heftig diskutiert. Das heißt, dass die Teilnehmerinnen oft recht viele qualifizierte Meinungen zu ihren Arbeiten erhalten und erfahren.


Drucksachen, Prospekte
[Modul 10]

Früher hieß im graphischen Gewerbe alles, was nicht Buch, Zeitung/Zeitschrift betraf, Akzidenzen. Im 10. Modul geht es um Prospekte und Drucksachen, aber nicht nur das. Es beginnt mit einer theoretischen Sicht auf Ästhetik in der Werbung. Und es folgen einige Exkurse, wie der analytische Blick auf Warenkataloge, auf Produktpackungen an einem Beispiel aus der Lebensmittelbranche oder ein Blick in die Welt der Audio-CD-Produktion. Das beinhaltet wieder Projektaufgaben: Eine CD-Ausstattung für ein Projekt der zeitgenössischen Musik (John Cage); ein Flyer für eine gemeinnützige Institution, dem Netzwerk der Linkshänder-BeraterInnen. Hier fand eine aktive Praxisanbindung statt, da nicht nur über den Inhalt referiert wurde, sondern die Ergebnisse auch der Institution vorgelegt wurden. Wobei eine Teilnehmerin sogar für die weitere Zusammenarbeit auserwählt wurde.

 


Anzeigen, Plakate und die Typografie draußen
[Modul 11]

Konsumanzeigen, Plakate und die Typografie »draußen« sind die Themen. Natürlich werden Anzeigen in einem geschichtlichen Abriss verfolgt und ihre Bedeutung heute erwogen. Als Aufgabe folgte eine ganzseitige Anzeige für politisches Engagement. Natürlich geht es in den Vorbesprechungen auch immer um die Inhalte selbst, die jetzt visualisiert werden sollen.
Typografie draußen braucht Auffälligkeit und so werden Schilder, Banner, Inschriften betrachtet. Kernpunkt ist aber die Geschichte des Plakates und ihre heutige Größe. In diesem Jahr war die Ausstellung für einen wichtigen Fotograf des 20. Jahrhunderts die Plakataufgabe.

 


Corporate Design
[Modul 12]

Ein Corporate Design lebt ganz entscheidend von der gut gemachten Typografie. In einer Grundlage, die etwas Geschichte, aber vor allem analytische Auseinandersetzung beinhaltet wird auf das Thema vorbereitet. Dabei werden die einzelnen Elemente eines CDs hervorgehoben. Viele Beispiele werden gezeigt und diskutiert. Dagmar Nathalie Gorbach erklärt sehr detailiert, worauf es ihr bei so einer Arbeit ankommt. Die Aufgabe, ein kleines Corporate-Design für einen Schrauben-Hersteller zu gestalten und zu präsentieren, wird im Team versucht. Eine Arbeitsweise, die gerade für »Einzelkämpfer« sehr lehrreich sein kann. Das führte in früheren Seminaren manchmal sogar zu späteren Zusammenarbeiten in der Praxis. Oliver Linke erläutert Möglichkeiten von speziellen Corporate-Fonts und zeigt den Weg, um Wortmarken zu entwickeln. Das Corporate Design wird nach der Pecha Kucha-Methode präsentiert. Die Zeiten wurden diesmal genau eingehalten!

 


Bilder und Bildwelten
[Modul 13]

Immer schon gehörte das Bild zur Typografie, wie eben auch Gestaltung in diesem Seminar gesamt und nicht nur auf Typografie bezogen gesehen wird. Die Rolle der Bilder in der Wahrnehmung, analytisches Sehen und visuelle Kommunikation, Bildanalyse sind Themen, die auch praktisch geübt werden. Martin Summ von Kochan & Partner sprach über Bildwelten in der Werbung. Und ein besonderer Teil widmet sich dem, was eine gute Fotografie ausmacht. Ein kleiner Einstieg in die Infografik mit typografischen Mitteln läßt die Teilnehmerinnen auch über ihr eigenes Tun und Leben nachdenken.


Bild-Text-Buch
[Modul 14]

Jetzt kann so ziemlich alles angewendet werden, was bisher im Seminar schon gelernt und erprobt wurde. Mit einem Bild-Text-Buch kann demonstriert werden, was handwerklich, theoretisch und gestalterisch erreicht wurde. Natürlich gibt es auch hierfür wieder ausführliche theoretische Hinweise zu illustrierten Büchern, zu Text-Bild-Bänden vor allem aus unserer Zeit. Dann beginnt der Workshop mit der Konzeption des Buches.

 


E-Book und Websites
[Modul 15]

Was auf den Bildschirmen erscheint, muß natürlich auch gestaltet werden. Das Modul beginnt mit einer Übersicht von Webfonts und dem Einsatz in digitalen Medien durch Oliver Linke. Eine Aufgabe folgte als Nachtrag zum Corporate Design. Fabian Kern referierte am zweiten Tag über Planung, Vorbereitung und Details für E-Books, aber vor allem auch für Websites. So wie hier Typografie und Gestaltung m it der praktischen Nutzung zusammen hängen.

 

 

 


Realisierung und Abschluß
[Modul 16]

Am ersten Tag gibt Matthias Hauer einen umfassenden Rundblick in die grafische Industrie. Es geht darum, gestaltete Werke auch optimal im Druck zu realisieren. Das geht von der Planung zur Bildbearbeitung und Druckvorstufe und natürlich zu den Druckverfahren. Es folgt die Druckweiterverarbeitung oder Buchbindung. Natürlich sind auch alle möglichen Veredelungsverfahren für die Zuhörer und eifrig diskutierend spannend.

 


Der zweite Tag ist dem Abschluss reserviert. Mögliche letzte Korrekturen werden noch besprochen. Aber vor allem stellen die Teilnehmer ihre Studie vor. Die Studie umfasst jeweils ein Thema, das die Teilnehmerinnen selbst wählen können. Bedingung ist, dass das Thema direkt mit Typografie und/oder Gestaltung zu tun hat. Im 11. Seminar waren das die Themen:

 

Astrid Benkler
NEON. Eine Sammlung zu NEON

Elisabeth Bernhofer
Brandbox – Werkzeuge zur authentischen Markenentwicklung

Berthi Gibaja
Chicha Plakat. Rhythmus und Farbe in der peruanischen Grafik

Jana Madle-Elmerhaus
Hamburger Schrift. Eine typografische Reise

Katinka Molde
Vom Denkzettel zum großen Ganzen. Gespräche über Handschrift

Dagmar Reiche
Das Q-Magazin. Facetten eines faszinierenden Buchstabens

Dorothèe Steib
Die Choreografie der Typografie im Mercedes-Benz-Museum

Marisa Müller
Arabische Schrift


Mit der feierlichen Übergabe des Zertifikats und einem anschließend schönen Fest in Augsburg fand das 11. Seminar seinen Abschluss, leider, wie Teilnehmerinnen und auch wir empfanden, viel zu früh.

 

 

 

Das tägliche Blitzlicht zum Abend finden wir eine wichtige Ergänzung der Kommunikation untereinander. Manchmal ist Erleichterung, oder Freude dabei, bisweilen wird auch »Dampf abgelassen«. Anhand der Aufzeichnungen daraus steht unsere Arbeit immer auf dem Prüfstand. Schließlich hat sich unser Seminar seit der Gründung 1990 kontinuierlich weiter entwickelt. Der Anspruch ist auf allen Seiten gestiegen und trotz Jahrhunderte langer Gestaltungsgeschichte bewegen wir uns in der heutigen Zeit.