Drei Buchlieblinge

Standards zum Wesentlichen

Es gibt Bücher, die schon lange meine Arbeit begleitet haben. Deren Inhalt waren für neue Erkenntnisse sehr wichtig. Aber diese Vertrautheit ist geblieben. Drei dieser wunderbaren Bücher stelle ich hier vor. Es sind tatsächlich »Standards« der Typografie und Gestaltung. 

 

drei lieblinge 

 

Caflischs großartige Schriftanalysen

 

Über Jahrzehnte schrieb Max Caflisch hervorragend recherchierte Schriftanalysen, die in Zeitschriften erschienen, oft als die jeweilige Schrift gerade erst auf den Markt kam. Das waren Geheimtipps und mir waren diese Beiträge sehr oft willkommene Hilfen für die Entscheidung um eine Schrift für ein Programm oder ein Corporate Design auszuwählen. Und dann gab es ab 2003 diese Bereicherungen als zwei solide und sehr schöne Bücher! Vierzig Beiträge, die aus der jeweiligen Schrift gesetzt sind,  befassen sich mit Schriften von Nicolas Jenson 1470 bis heute. Da sind Meisterwerke der Schrift ebenso wie neue, erst im digitalen Zeitalter entstandene Textschriften. Die reichlichen Abbildungen zeigen historische Beispiele, Skizzen, analytische Zusammenstellungen und jeweils die verschiedenen Schnitte und Figuren. Caflisch, schon zu Bleisatzzeiten ein bedeutender Buchtypograf, hat die technischen Umbrüche nicht nur überstanden, er kennt sie auch genau und weiß, auf was es bei digitalen Schriften ankommt. Denn die Art des Lesens hat sich offensichtlich durch die digitale Technik nicht verändert. 

Einige der analysierten Schriften will ich hier nennen: Im ersten Band u.a. Cancellaresca, Rialto, Galliard, Minion, Hollander, Fleischmann, Bell-Antiqua. Im zweiten Band u.a. Eric Girls Schriften, Syntax, Cecilia, Bitstream Charter, Swift, Lexikon, Oldrich Menharts Schriften, Flora und über Skripten, also den Schreibschriften, mit denen sich Caflisch ebenfalls auseinander gesetzt hat. Kann ein Typograf ohne diese Bücher leben?

 

Max Caflisch, Schriftanalysen. Untersuchungen zur Geschichte typographischer Schriften.
Zwei Gewebebände, 276 und 268 Seiten.
Typotron, Sankt Gallen 2003.
ISBN 3-908151-31-7 und 3-908151-32-5
(Sammelband 125 Euro ISBN 3-908151-33-3).

 

 

Das Rasterbuch

 

Der Begriff Gestaltungsraster geriet mit der neuen Schweizer Typografie der fünfziger Jahre zu einer Art Zauberwort. Viele sprachen davon, doch war die Praxis davon dürftig berührt. Müller-Brockmanns eher strengeres Buch »Rastersysteme« erschien erst 1981. Man musste also etwas tiefer ansetzen, beispielsweise mit LeCorbusiers Buch »der Modular«, der 1953 in deutsch erschien.

Blättert man heute suchend in Bosshards 2000 erschienenem »Der typografische Raster« findet man eigentlich alles:  Eine gute Einführung, viele Beispiele, deren Raster auch tatsächlich abgebildet sind. Einen hervorragenden systematischen und trotzdem knappen Theorieanhang. Das Arbeitsbuch über Raster und Proportionen ist also vorhanden. Natürlich braucht der Leser Geduld um die beschriebenen und gezeigten Systeme zu begreifen. Studiert man die 24 im Buch behandelten Beispiele so lernt man immens viel über Möglichkeiten, wie man mit Rastern sehr vielfältig gestalten kann. Rezepte will Bosshard freilich (zum Glück) nicht geben. Im sehr knappen Anhang gibt es eine Übersicht über die Proportionssysteme, es sind 24 an der Zahl. Rastersysteme werden erläutert und schließlich gibt es auch die Darstellung einer Bildstruktur. Im Nachsatz schreibt Bosshard: »Systematische Arbeitsweise allgemein und Rastersysteme im Besonderen sind für viele typografische Gestalter wenig vertraute Gebiete. Sie meinen, ›aus dem Bauch‹ gestalten zu müssen, glauben an Intuition und Zufall, wenn nicht gar an Wunder der Inspiration«. Er wendet sich damit auch gegen einen weit verbreiteten Pseudo-Künstlerismus unter Gestaltern. Doch systematisches Arbeiten macht zwar am Anfang mehr Arbeit, hilft aber der Kreativität und damit geht alles schneller. Danke, Hans Rudolf Bosshard.

 

Hans Rudolf Bosshard, Der typografische Raster.
200 Seiten, Leinen.
Verlag Niggli AG, Sungen 2000.
ISBN 3-7212-0340-2. 

 

 

Designkritik und besser gestalten

 

Während die Postmoderne noch »tobte« und angeblich »alles ging« und es nicht mehr auf Funktionen der Dinge ankam sondern beispielsweise welche Geschichten sie uns erzählten, befasste sich der Psychologe Donald A. Norman ein Jahr lang mit Funktionen praktischer Alltagsdinge, die von Designern gestaltet wurden. Das Ergebnis, nämlich dieses Buch, wurde für die Designszene nicht gerade schmeichelhaft. Mich hat dieses Buch sehr beeindruckt, vor allem für eine klare Haltung von Designern, in meinem Fall besonders Typografen und Kommunikations-Designer. Das Buch beginnt mit einer Psychopathologie der alltäglichen Dinge, die oft gegebenerweise ironisch ausfällt, aber gleichzeitig Wege für ein funktionierendes Design aufweisen. Dem folgt eine Untersuchung von Handlungsabläufen und dann geht es um vorhandenes Wissen und wie das im Umgang mit gestalteten Dingen funktionieren kann. Ein großes Kapitel beschäftigt sich mit Fehlern und der richtigen Schlussfolgerung daraus. Die Anforderungen an ein benutzerorientiertes Design führen zu sieben Prinzipien für die Verwandlung von schwierigen Aufgaben in einfache, die ich hier zitiere:

 

1. Nutzen Sie sowohl das Wissen im Kopf als auch das Wissen in der Umwelt.

2. Vereinfachen Sie die Strukturen von Aufgaben.

3. Machen Sie die Dinge sichtbar. Überbrücken Sie die Kluft der Ausführung und die Kluft der Auswertung.

4. Sorgen Sie dafür, dass die Mappings stimmen.

5. Nutzen Sie Einschränkungen, sowohl natürliche als auch künstliche.

6. Berücksichtigen Sie mögliche Fehler.

7. Wenn alles andere schief geht, richten Sie sich nach bestehenden Normen.

 

Die Denkweise Normans hilft tatsächlich besser und funktionsgerechter zu gestalten.

 

Donald A. Norman, Dinge des Alltags.
Gutes Design und Psychologie für Gebrauchsgegenstände.
282 Seiten, Leinen.
Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1989.
ISBN 3-593-34134-4.